TV-Moderatorin und Kommunikationstrainerin Miriam Deforth ist seit Anfang 2018 Naturpark Kyffhäuser Botschafterin. In ihrem „Miris Kyffhäuser-Blog“ berichtet sie jeden Monat von ihren Erlebnissen und Abenteuern im Naturpark.
Miri's Kyffhäuser Blog wird unterstützt von hessnatur. Vielen Dank!
10. Juni 2018
Wenn im Kyffhäuser die langen Tage nur kurze Nächte erlauben: ACHTUNG! Dann wird’s magisch zwischen den sanften Hügeln und beeindruckenden Weiten.
In vielen anderen Naturlandschaften gibt es Märchen und Sagen über Feen und Kobolde, die besonders im Sommer ihr Unwesen treiben und eine Menge Schabernack mit Wanderern oder Besuchern veranstalten. Nicht so im Kyffhäuser.
Ja, dort „schläft“ Barbarossa – symbolisiert durch das nach wie vor imposante und erklimmbare Kyffhäuser-Denkmal – und wartet auf seine Wiederauferstehung, um auf der Welt für Frieden, Einheit und Ordnung zu sorgen.
Und ansonsten ist in Sachen Märchen, Mythen und Sagen im Kyffhäuser nicht viel los – hört man auf die kundigen Verantwortlichen.
Ich könnte Ihnen also im Monat Juni einen seeehr kurzen Blogpost liefern. Denn rein aus meinen Recherchen zum Thema Verzauberwelt heraus würde ich jetzt und hier aufhören, Ihnen zu schreiben.
Und natürlich mache ich es genau anders.
Denn wer in diesen Zeiten, zum Gipfelpunkt des Sommers, einige Stunden oder Tage im satten Steppengrün der Kyffhäuserwelten verbringt, leise wandernd oder still auf einer Wiese liegend, der wird überrascht sein, wie viel Märchen- und Mythenvolk sich in allen Winkeln tummelt. Libellen wirken wie zarte Feen.
Sie scheinen sich zum Training über dem Teich des Englischen Gartens für’s Turniertanzen zu verabreden. Teils alleine, teils zu zweit entwickeln sich regelrechte Choreographien. Und manchmal passiert es, manchmal öfter, dass zwei Libellen so professionell beim Tanzen turteln, dass die verzückten, verzauberten Spaziergänger bald auf einen ganzen Kindergarten voller Libellenbabies hoffen dürfen.
Hier ist wohl eher das zarte Volk zu Hause. Zwischen Blüten und uralten Baumkronen. Wo Schmetterlinge wie Elfen, Libellen wie Feen und rundliche Käfer mit schillernden Beinchen wie Sonnengnömchen die geheimen Wege zwischen den Wegen bevölkern, dort ist „Gutland“ im Kyffhäuser. Hier wandern die Poeten und Musiker. Und die Luft schwirrt und klingt vor Licht und Wärme und Leben und Fülle und Nachwuchs.
Doch der Kyffhäuser kennt auch die andere, die dunklere, die abenteuerliche Seite. Wer Wert darauf legt, sie kennen zu lernen, bleibt bis spät am Abend. Wenn die Sonne beinahe untergegangen ist, dann nämlich erscheinen dem Geduldigen die Boten der spannenden Unterwelt Barbarossas. Das verwunschene Schloss, tief unter dem fruchtbaren Boden des Naturparks, beherbergt ihn in seinem hundertjährigen Schlaf. Und mit ihm schläft sein gesamter Hofstaat und wartet auf die eine, erlösende Stunde.
Bewacht werden sie von ihren Kobolden im schwarzen Pelzchen, gelegentlich als Maulwürfe sträflich unterschätzt, und ihren geflügelten Geistern, den Fledermäusen. Sie empfangen einen neugierigen Wanderer mit allergrößter Skepsis. Schließlich geht es ihnen um den Weltfrieden. Und bevor der alte Kaiser seine Augen nicht öffnet, solange gilt es, ihn ungestört schlafen zu lassen. Seine ganze Kraft braucht er, um nach seiner Auferstehung mit dröhnender Stimme und bassigem Befehlston dem Unwohlsein der Menschen ein für alle Mal ein Ende zu bereiten.
Ja, eine wichtige Aufgabe haben sie da. Die Wächter.
Wer den streng geheimen Einstieg in das unterirdische Reich des Kaisers wirklich finden möchte, darf sich gut mit den wilden, tobenden, lauernden und wahnsinnigen Kreaturen des abendlichen Kyffhäusers stellen.
Es wäre anzunehmen, dass das Verfolgen der Laternenträger, der Glühwürmchen, einen Sinn ergeben könnte. Sicher kennen sie als Irrlichter den Weg ins Schloss. Ausprobiert habe ich dieses probate Mittel noch nicht – und Sie dürfen mir gerne zuvor kommen.
Denn die uralten Blutbuchen am Wegesrand haben es mir zugeraunt: Wenn Sie nur das richtige Glühwürmchen erwischen und es bei seinem raffinierten Slalom durch das Dickicht der ansteigenden Hainleite nicht aus den Augen verlieren, dann führt es sie zielstrebig zu dem bislang nicht Gefundenen. Irgendwo wird sie wohl sein. Die Pforte zu der Treppe, die weit nach unten in die Hügel führt. Nach Irrland.
Eine sanfte Treppe.
Rechts und links der Wand sitzt neben jedem Glühwurm, der tapfer eine Fackel balanciert einer der geflügelten Wächter.
Ja, die schauen grimmig, während Sie mutig vorbei nach unten schreiten. Stufe für Stufe. Was fehlt, ist die Furcht. Denn der Kyffhäuser ist an sich ein sanfter Geselle. Und schließlich schlafen hier die vielen Untergebenen samt ihrem Kaiser Barabrossa. Das Schlaflied zupft eine Grille. Ganz leise.
Und der Mond? Der hält sich raus. Der hat genug mit seinem Spiegelbild auf dem Teich des Englischen Gartens zu tun. Dort zupft er sich die Augenbrauen in perfekte Form, tupft sich einen Hauch Rouge auf die Wangen und flirtet mit den Sternen.
Wem all das nicht reicht, um die tausend Märchen und Mythen des Kyffhäusers nicht weiter zu verleugnen, dem weiß ich auch nicht zu helfen. Sie sind nicht aufgeschrieben in einem dicken, ledergebundenen Buch. Sie sind einfach da. Sie schweben in der klaren Nachtluft und senken sich tagsüber in die Blumenkelche.
englischer Garten in Bendeleben
Wenn Sie im Juni wandern gehen, dann wählen Sie einfach:
Die silbrigen, hellen, fröhlichen und teilweise unverschämt albernen Geschichten aus Gutland?
Lauschen Sie als Anfänger gerne dem Teichufer.
Die spannenden, aufwühlenden und schwer unterhaltsamen Abenteuer von Irrland?
Spitzen Sie in der Dämmerung die Ohren. Kurz bevor die Sonne die Libellen-Feen schlafen schickt, werden sie Ihnen aus den alten Baumkronen zugeflüstert.
Das hier ist alles nicht wahr? Ja, stimmt. Und ich habe es selbst gesehen.