TV-Moderatorin und Kommunikationstrainerin Miriam Deforth ist seit Anfang 2018 Naturpark Kyffhäuser Botschafterin. In ihrem „Miris Kyffhäuser-Blog“ berichtet sie jeden Monat von ihren Erlebnissen und Abenteuern im Naturpark.
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15. Mai 2019
Der Kyffhäuser ist verhext in diesem Tagen. Wie überall in Deutschland ist der Mai der Monat, in dem ein besonderer Zauber über der kaiserlichen Höhle liegt. Denn die Hexen reichen den Eisheiligen die Hand und bitten zur zügellosen Party.
Natürlich bemerken Sie das, sollten Sie dieser Tage eine Wanderung oder einen Besuch der touristischen Highlights im Naturpark durchführen. Es ist kaum zu übersehen, zu überhören oder gar wegzureden. Im Mai steht die Welt Kopf. Eben war es noch Winter und fast so, als hätte irgendjemand über Nacht einen Schalter umgelegt, protzen die Büsche, Sträucher und Bäume des Kyffhäusers mit satten Blüten, allen erdenklichen Grüntönen und… dem uralten Wissen um zwei magische Dates.
In der Nacht zum ersten Mai treffen sich offiziell die Hexen, die etwas auf sich halten, im konkurrierenden Harz. Heimlich jedoch, und das wissen alle, die den Kyffhäuser kennen, ist hier der Magic Spot. Denn hier schläft Barbarossa. Hier ist die weiß-schimmernde Höhle, die alle möglichen Geheimnisse birgt. Hier veranstalten die Naturgeister bisweilen ihre eigene, wilde Love Parade und schmücken ihren artverwandten Hexenschwestern den Tanzboden mit frischen Kräutern, exotischen Blüten und Bodendeckern.
Wer glaubt, dass er wahre Hexen nur auf dem Blocksberg trifft, der hat den Gong nicht gehört. Die Nacht zum ersten Mai ist mehr als magisch im Kyffhäuser. Und die Spuren, die das Zaubervolk um das Barbarossadenkmal hinterlässt, sind von einzigartiger Schönheit. Kommt nur in den Mai und Junitagen auf die verschlungenen Pfade und schaut Euch die Farbigkeit, die Lust an Formen und Gestalten und die ins Freie stürmende Natur an. Vorsicht – das könnte ein Rausch der Sinne werden.
Und das ist noch lange nicht alles. Denn die Hexen treffen im Mai einmal jährlich auf gute Freunde. Die sogenannten Eisheiligen (die kaum jemand komplett aufzählen kann, probieren Sie es gerne, bevor Sie weiterlesen) freuen sich schon seit Wochen auf die Zusammenkunft mit ihren besenbreitenden Schwestern. Und die Menschen? Naja, die treffen so ihre Vorkehrungen.
Doch zunächst seien diese „Wetterheiligen“ hier einmal vollständig aufgezählt. Am 11. Mai trifft als erster Mamertus ein. Und dann, an den darauffolgenden Tagen Pankratius, Servatius, Bonifatius und zu guter Letzt die sogenannte „kalte Sophie“ – sie ist die Schlimmste von allen. Denn hinter sich her weht gefangen in ihren langen, bläulich weißen Haaren, die letzte, von Norden kommende, kalte Luft über den Kyffhäuser.
Bauern wissen, dass sie vor der kalten Sophie keine Saat ausbringen. Sie kaspert bisweilen albern mit plötzlichem Bodenfrost herum und vernichtet damit alles, was vor ihr schon gesprießt oder gar erblüht war. Grinsend zeigt sie ihre Zähne, während sie mit ihren Brüdern noch einmal an den Winter erinnert.
So schnell, wie sie gekommen sind, verschwinden die kalten Gesellen auch wieder und machen dem Sommer Platz. Der wartet geduldig, sich ein Pfeifchen paffend, auf seinen Einsatz. Schon lange legt er sich mit den „Eismännern und -frauen“ nicht mehr an. Jahrhundertelang hat er heiß mit ihnen diskutiert. Und sie sind dennoch in jedem Jahr wieder in den Kyffhäuser eingefallen. Nun lässt er sie und die Hexen toben und dann, dann hält er genüsslich Einzug in die sanften Hügel und satten Täler des Naturparks.
Fast in Vergessenheit geraten ist der wundersame Brauch, in jeder Nacht, in der einer der Eisheilgen wütet, ein Feuer zum Zeichen des Trotzes anzuzünden und über die dunkelsten Stunden brennen zu lassen. Dies geht übrigens auch im Kleinen – mit einer Kerze, die windgeschützt und beispielsweise in einem sicheren Glasbehälter die Eisheiligen aus dem eigenen Garten vertreiben soll.
Und schließlich haben auch die Bauern es schon gewusst: Bis zum 15. Mai wird noch gezittert, dann kommt endlich der warme Sommer.
Und während die Hexen und die Eisheiligen im Mai ihre Zeit und ihre wilden Tänze haben, haben wir Menschen das Vergnügen, einem unglaublich schönen und spektakulären Naturschauspiel zuzusehen. Wenn wir denn unsere Sofas verlassen und uns auf die Socken machen. Gesünder kann die Luft kaum sein. Also raus mit Euch! Auch wenn Ihr keine Hexen seid. Schwingt Euch auf Eure Besen und seht zu, dass Ihr dem Kaiser die Ehre erweist. Schließlich freut er sich, wenn nicht nur Zaubereien und kalte Stürme an seinem Bart kitzeln. Euer verliebtes Mai-Lächeln ist ihm da viel, viel lieber.