TV-Moderatorin und Kommunikationstrainerin Miriam Deforth ist seit Anfang 2018 Naturpark Kyffhäuser Botschafterin. In ihrem „Miris Kyffhäuser-Blog“ berichtet sie jeden Monat von ihren Erlebnissen und Abenteuern im Naturpark.
19. Dezember 2019
Wir sagen es in diesen Tagen mehrfach am Tag: Das Wort Winter.
„Na, endlich kommt der Wintereinbruch und es gibt Schnee.“
„Das Winterwetter macht mir zu schaffen.“
„Der deutsche Winter ist auch nicht mehr das, was er mal war.“
Und denken wir, wenn wir solchen Kauderwelsch von uns geben, eine Sekunde darüber nach, woher der Begriff „Winter“ stammt? Wer das Wort erfunden hat?
Im Gegensatz zum Sommer (da wäre ja wenigstens das Wort Sonne zu erahnen) oder Frühling (klar – früh im Jahr) ist „Winter“ fast eine Art Name.
Es gibt in Deutschland Familien, die Winter mit Nachnamen heißen. Und eine historische Abgabe von leibeigenen Bauern wurde ebenfalls „Winter“ genannt, ohne irgendetwas mit der Jahreszeit zu tun zu haben.
In diesem Kyffhäuser-Weihnachtsblogpost mache ich mit Ihnen mal eine „Tour de Etymologie“, wir der französische Gourmand zu sagen pflegt, und wir überlassen anderen einmal die Beschreibung von Weihnachtsbräuchen und Geschenketipps. Hier lernen Sie jetzt was. Versprochen.
Okay, vielleicht fällt das Wissen um den Wortstamm eines Jahreszeitenbegriffs eher unter die Kategorie „nutzlose Kenntnis“ – und überlegen Sie mal, wie Sie auftrumpfen können, sollte sich am Silvesterabend zwischen Raclette und Bleigießen eine inhaltliche Lücke einstellen. Dann stellen Sie sich mal am Tisch auf, machen die Schultern breit und fragen mit ernster Miene und fester Stimme in die Runde: „Weiß hier irgendeiner von Euch Pappnasen, wo das Wort ‚Winter‘ ursprünglich herkommt und was es bedeutet?“
Na, da werden Sie in entrüstete Gesichter schauen. Klar, auch deshalb, weil Sie Pappnasen gesagt haben. Und sicher auch, weil NIEMAND am Tisch die Antwort kennt! Ha!
Wie gut, dass Sie diesen, unterhaltsamsten Natur- und Wanderblog Deutschlands kennen und jetzt gerade diesen Artikel lesen.
Ich rücke auch direkt raus mit der Sprache und versetze mich im Geiste zuvor in die Bilder, die ich meinem Kopf über den „Winter“ im Kyffhäuser abgespeichert habe. Die dick verschneiten Landschaften, leicht bergig, dicht bewaldet… alles weiß. Sehr still. Und bitterkalt. Oh ja, das kann der Kyffhäuser. Menschen und Tiere zum Schlottern bringen. Und das ist auch gut so – denn nach einem winterlichen Spaziergang durch Englischen Garten und ein Stück der vielen Wanderwege tut ein Punsch viel besser, als stubenhockend irgendwann aufgesetzt. Diese Erfahrung haben Sie ja sicher auch schon gemacht.
Diese wunderschönen Erinnerungen im Kopf tragend, mache ich mich nun gemeinsam mit Ihnen an unsere wissenschaftliche Arbeit.
Wenn Sie glauben, das Wort „Winter“ gehört zu den ursprünglichsten, germanischen Ausdrücken in unserer Sprache, dann irren Sie sich. Nehmen wir mal Abstand von den indogermanischen Sprachwurzeln, die unserem „Deutsch“ das ursprünglichste Sprachgerüst bilden, dann ist die erste, wirklich wiedererkennbare Urform unserer Muttersprache ungefähr im 3. Jahrhundert nach Christus entstanden.
Zahlenwörter oder Begriffe für „Rad“, „Wagen“ und die klassischen Stalltiere gehören zu den ersten Worten, die einigermaßen nachvollziehbar für Forscher vorliegen. Aufgeschrieben wurde in dieser Zeit kaum etwas was – und schon gar nicht die „Umgangssprache“ der Menschen. Deshalb ist es wirklich eine Herausforderung, an der einen oder anderen Stelle sinnvoll nachweisbare Aussagen zu treffen. Bis heute.
Und doch ist das Wort „Winter“ spannend. Denn es ist erst vergleichsweise spät belegt: Im 8.Jahrthundert nach Christus, also, als die Menschen in unseren Gefilden schon recht lange „althochdeutsch“ schwafelten, erscheint diese Bezeichnung für die vierte, kalte Jahreszeit plötzlich im Sprachgebrauch.
Recht sinnvoll erscheint (auch kulturhistorisch) eine Abwandlung des lateinischen Begriffs „unda“, was so viel heißt wie Welle oder Woge. Denn Kältewellen gab es rund um den Kyffhäuser, in Mitteleuropa und überhaupt auch damals schon. Besonders in der vierten Jahreszeit. Verwandt ist mit dem lateinischen Begriff „unda“ auch das litauische „vanduõ“, das schlichtweg für Wasser steht.
Angemerkt sei, dass fast alle unsere sprachlichen Begriffe für „Wetter“ sprachgeschichtlich etwas mit Wasser zu tun haben. Der Begriff „Wetter“ selbst ist einfach nur eine sehr historische Form des Wortes „Wasser“.
Von daher würde diese Ableitung sehr gut passen. „Winter“ kommt von Woge, Welle, Wasser und ist in Deutschland ja auch die am meisten verregnete Wetterstrecke des Jahres.
Doch halt!
Michael Metzger geht in einem Artikel der „Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung“ davon aus, dass der Winter ein Begriff ist, der sich aus dem althochdeutschen „Winister“ für Abwendung oder Wegbewegung (vom Süden und vom Licht) heraus gebildet hat. Beim Lesen des Wortes fällt selbst dem Laien in Etymologie (Lehre von der Wort- und Sprachherkunft) die große Ähnlichkeit auf.
Winister als Begriff für die Abkehr, Abwendung ist sehr viel poetischer besetzt, als die reine „Wasser-Idee“ und gefällt mir persönlich natürlich besser. Denn die „andere Seite“ der Sonne, die kalte und frostige, eisige, verschneite und nordische, passt so herrlich in das, was wir Menschen als Winter in unserer Vorstellung haben.
Gleichzeitig ist das Abwenden von der Sonne auch eine Art „Nacht“, eine Ruhe, in die sich die Natur begibt. Sie erholt sich, schließt die Augen und die Knospen und sammelt ihre Kraft, um uns spätestens im Frühling mit großartigen Farben, Formen und einem neuen Leben zu überraschen.
Wie schön, dass nun einfach Winter ist.
Und vielleicht belasse ich es in diesem „Besserwisser-Blogpost“ einfach auch dabei.
Genießen Sie Ihren Winter 2019 / 2020. Feiern Sie Ihr Weihnachtsfest so, wie Sie es mögen. Genießen Sie die diffusen, kaltglitzernden Lichtstimmungen und kommen Sie fröhlich und entspannt, voller Ideen und Ziele im neuen Jahr an.
Dann lesen Sie hier weiter. Und vielleicht ist einer Ihrer Neujahrswünsche ja auch endlich die Reise in die mystische, historische und jahreszeitliche Welt des Naturparks Kyffhäuser.
Ihre Miriam Deforth